Eine Geschichte von Herrn G.

(c) dpa 2015 Quelle [Münchner Merkur]

Juli 2005    Jürgen R. (ex Pater Georg) beendet seine Arbeit im Internat

Einige Mitschüler stellen fest, dass Pater G. eine zu große Nähe mit einem Mitschüler aufbaut und melden dies dem Internatsdirektor. Dieser wendet sich bei Abt Edelbert der ihn aus dem Internat nimmt. Der Internatsdirektor setzt durch, dass Pater G. auch nicht weiter unterrichten darf. Da zu diesem Zeitpunkt keine strafbaren Handlungen sichtbar waren oder solche von einem der Kinder vorgetragen wurden, hält ein Teil der Klostergemeinschaft das Vorgehen für sehr strikt. Wie sehr häufig beim konsequenten Handeln in Bezug auf vermuteten Missbrauch, regiert die Leitungsmannschaft gespalten und derjenigen der das konsequente Vorgehen einfordert ist anschließend isoliert. Pater G. wird zunächst in der Verwaltung eingesetzt.

Herbst 2005    Psychologisches Gutachten von Prof. Pfäfflin erklärt Pater G. für ungefährlich

Auf Anraten von Lütz erstellte Prof. Friedemann Pfäfflin ein Gutachten, das dem Pater – Lütz zufolge – „Heterosexualität“ bescheinigte. Lütz:
„Das Gutachten war eindeutig: Es lag noch nicht einmal der Verdacht auf sexuellen Missbrauch vor, keine Pädophilie, auch sonst keine Diagnose und daher keine Notwendigkeit für eine Therapie. Pater G. habe seine Probleme mit Nähe und Distanz bereits gut reflektiert und könne in der Seelsorge, sogar langfristig in der Jugendarbeit, selbst ohne Teameinbindung eingesetzt werden.“
Lütz zitiert Prof. Pfäfflin mit den Worten:
„Der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs war damals von keiner Seite erhoben worden. Auch bei der Begutachtung durch mich fanden sich diesbezüglich keine Anhaltspunkte. Das in Ihrem Fax von gestern geschilderte Vorgehen halte ich, um Ihre Frage zu beantworten, für angemessen und in Übereinstimmung mit den Vorschlägen in meinem Gutachten.“ [Quelle]

Anmerkung: Das Gutachten hat eine Situation geschaffen, bei der Fachleute bescheinigen, es gibt keine Gefahr. Das führte zu der Situation, dass sich die Einschätzung durchsetzt, dass Pater G. in Wechselburg in der Begegnungsstätte eingesetzt werden kann. Ein längerer Beziehungsaufbau mit Kindern und Jugendlichen, wie in der Internatssituation, sei dort nicht möglich. Ein Irrtum, da Pater G. mutmaßlich seine Tatstrategie geändert hat.

Februar 2010       Erste Anschuldigen bzgl. Missbrauchshandlungen gegen Jürgen R. (Pater Georg)

Im Zuge der Medienberichteerstattung zum Vorfällen im Internat Ettal aus den 60er bis 90er Jahren melden sich Schüler, die Jürgen R. (Pater Georg) ebenfalls sexuellen Missbrauch aus den Jahren 2003 bis 2005 vorwerfen. Es handelt sich um nicht verjähre Fälle.

Da es sich um unverjährte Fälle handelt haben wir uns als Verein nicht an die Betroffenen gewandt, um Aussagen nicht zu beeinflussen. Hätten wir gewusst, dass es bis zur Prozesseröffnung 5 Jahre dauert, hätten wir evtl. anders gehandelt und vielleicht Fehleinschätzungen ausräumen können.

11.09.10      Pater G. widerruft sein Geständnis

"Der Verteidiger des 39-jährigen Paters G., der Düsseldorfer Anwalt Rüdiger Deckers, will eine Begutachtung mehrerer Zeugen durch einen namhaften deutschen Aussagepsychologen fordern." [Focus Online] [15.09. Münchner Merkur]
Hr. RA Dr. h. c. Deckers "hat sich unter anderem in der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs zur aussagepsychologischen Begutachtung (BGHSt 45, 164)" einen Namen gemacht [Homepage RA Deckers] [Buch: Die Erhebung von Zeugenaussagen im Strafprozess]

Anmerkung des Vereins: Ein Geständnis macht man nicht leichtfertig. Nun könnte es notwendig werden, dass die Opfer im Prozess aussagen müssen.

25.09.10     Das Geständnis von P. G. war kein Geständnis ?

Das Kloster glaubt Pater Georg und steht hinter ihm", erklärte der Pressesprecher des Klosters Michael Müller. [25.09. Freie Presse]

Anmerkung des Vereins: Das Kloster bestätigte uns am 27.09. seine Position: "Es handelt sich um ein laufendes Verfahren und wir können und wollen dazu keine Stellungnahme abgeben."

28.03.14     Kloster Ettal: Verfahren gegen Pater G. eröffnet

"Die Anklage allein schnürt einem die Kehle zu: In über 20 Fällen soll Pater G. Schutzbefohlene unter 14 Jahren am Kloster Ettal sexuell missbraucht haben. „Die Missbrauchsvorwürfe sind relativ massiv“, fasst Margarete Nötzel, Sprecherin am Oberlandesgericht München, die Anklage der Staatsanwaltschaft zusammen." [Münchner Merkur]

03.07.14     Internat: Keine Anmeldungen für neue Schüler in der 5. Klasse

„Seitdem haben Neuanmeldungen am Internat stetig abgenommen. 2009/2010 seien noch 13 Fünftklässler aufs Internat gewechselt, fortan gingen die Zahlen immer mehr zurück: sieben, fünf und nun null. Was an der Klosterschule in der Vergangenheit passiert sei, mit den übergriffen von Mitbrüdern auf Schüler des Internats, das habe bei Eltern eben dazu geführt, „dass sie Ettal bei der Schulwahl außen vor gelassen haben" [TZ] [Münchner Merkur]

Anmerkung des Vereins: Bis zum Schuljahresbeginn wurden es dann doch noch 3 Schüler.
Die Öffentlichkeit nimmt das Verfahren als neuen Missbrauchsfall wahr. Die mit Veröffentlichung der ipp-Studie weitgehend aufgearbeitete Vergangenheit der 50er bis 90er Jahre rückt in der Wahrnehmung in den Hintergrund. Damit erhält das Internat zu wenig Zulauf und wird 2024 geschlossen.

22.01.15     Pater G. aus Ettal muss sich vor der Jugendstrafkammer des Münchner Landgerichts verantworten.

Er soll zwischen den Jahren 2001 und 2005 mehr als 20 Kinder sexuell missbraucht haben – Wie das Tagblatt mitteilt muss er sich zum ersten Mal am 22. Januar vor der Jugendstrafkammer des Münchner Landgerichts verantworten. Für die Verhandlungen sind sieben Tage angesetzt. [Radio Oberland]

Anmerkung des Vereins: Es ist unsäglich, dass von den ersten Anschuldigen bis zum Prozessauftakt 5 Jahre vergehen.

11.03.15    Prozess gegen Jürgen R. (Pater Georg) endet mit 22 Monaten auf Bewährung

In dem Verfahren gegen Jürgen R. (Pater Georg) wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a. wurde heute der dritte mutmaßliche Geschädigte zum Tatgeschehen vernommen. Noch vor Abschluss der Vernehmung und nach einem rechtlichen Hinweis des Vorsitzenden der 1. Jugendkammer fand auf Antrag der Verteidigung zwischen den Verfahrensbeteiligten (Gericht, Staatsanwaltschaft, Nebenklägervertreter und Verteidiger) ein Rechtsgespräch statt. Dieses brachte folgendes Ergebnis:
Die Jugendkammer sicherte dem Angeklagten für den Fall eines Geständnisses hinsichtlich Tatkomplex 1, 2 und 4 der Anklage eine Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von mindestens 1 Jahr 9 Monaten und höchstens 2 Jahren, jeweils mit Bewährung, zu [Oberlandesgericht München].

Wir sind der Meinung, dass eine Strafe auf Bewährung keine Strafe ist. Dieses Strafmaß bestärkt Täter nach dem Motto: "Wenn man erwischt wird muss man halt aufhören". Alle Erzieher und Leitenden, die Kinder und Jugendliche betreuen, brauchen ein klares Signal, dass Übergriffe unter keinen Umständen toleriert werden.
Die Auflage einer Therapie für Pater G. ist sicher sinnvoll. Einige von uns befinden sich auch heute noch in Therapie, obwohl die Vorfälle bereits Jahrzehnte zurückliegen. Wer ist hier mehr bestraft?

Zehn Jahre hat Pater G. die Klostergemeinschaft angelogen und seit fünf Jahren die Betroffenen genarrt. Junge Männer, die in dem Alter sich nicht mit Missbrauch, sondern mit Beziehungen beschäftigen sollten. Als wir so alt waren dachten wir auch, wir hätten keinen Schaden geommen.

Der Prozess zeigt auch, dass die Aufdeckung sexueller Straftaten sehr schwierig ist. Die Täter binden die Kinder emotional, die betroffenen Kinder erzählen nichts, die Verantwortlichen in der Einrichtung können nur wenige verdächtige Anzeichen wahrnehmen. Es ist viel Zivilcourage notwendig einen Täter aufzuspüren und aufgrund meist weniger Verdachtsmomente aus einer Einrichtung zu entfernen.
Wird ein Täter bestraft, ist die Strafe 10 Jahre nach Verbüßung wieder aus dem erweiterten Führungszeugnis entfernt. 2027, da ist Jürgen R. (Pater Georg) 56 jahre alt.

10.08.16    Pater G. wird zu siebenjähriger Haftstrafe verurteilt.

Der Angeklagte wurde wegen 10 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern, davon in sechs Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, sowie wegen fünf Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte in den Schuljahren 2003/2004 und 2004/2005 sexuelle Handlungen an einem zu Beginn der Taten 12jährigen Internatsschüler vorgenommen hat und an von dem Schüler an sich vornehmen ließ. Während des Schuljahrs 2003/2004 nutzte der Angeklagte dabei als Präfekt gegenüber dem Geschädigten eine besondere Vertrauensstellung aus [Oberlandesgericht München].

Anmerkung des Vereins: Allen rührseligen Geschichten, wie gleichzeitig als Erzieher Vater und Mutter für die Kinder zu sein, zum Trotz ist Jürgen R. (Pater Georg) ein berechnender Täter:
Vier Wochen nachdem er 2001 ins Internat kommt und eine Klasse übernimmt, kommt es auf der Kenzenhütte zum ersten Übergriff, kurz vor der Priesterweihe. Anschließend sucht sich Jürgen R. (Pater Georg) jedes Schuljahr in der Jahrgangsstufe, die er betreut, einen oder evtl. wenige Jungs aus, die er emotional an sich bindet und bei denen er dann vermutlich regelmäßig übergriffig wird. Im ersten Prozess wurden 21 Übergriffe an 3 Jungs bestätigt.

20.02.23     Es werden Anschuldigungen gegen Jürgen R. (Pater Georg) aus seiner Zeit in Wechselburg öffentlich.

Das Kloster hat weitere Mitteilungen mit Vorwürfen sexuellen Missbrauchs durch den ehemaligen Jürgen R. (ex. Pater Georg) an Kindern und Jugendlichen auch in Wechselburg erreicht. Das Kloster nimmt diese Vorwürfe sehr ernst und hält diese für plausibel. Die Betroffenen ermutigt das Kloster zur Anzeige dieser strafbaren Handlungen bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Das Kloster empfiehlt, sich dabei anwaltlich beraten und begleiten zu lassen. Das Kloster Wechselburg ist bereit, unbürokratisch die Kosten für die anwaltliche Erstberatung zur Prüfung der zivilrechtlichen Ansprüche der Betroffenen bzw. der Erstberatung mit einem Zeugenbeistand zu übernehmen. [Kloster Wechselburg]

Jürgen R. ist nicht mehr Mitglied des Klosters und kein Kleriker mehr. Das Kloster hat keinen Kontakt zu Jürgen R. und kennt seinen Aufenthaltsort nicht.
Wir gehen davon aus, dass es sich um Vorgänge aus der Zeit von 2005 bis 2010 handelt, die somit noch nicht verjährt sind.
Wir, der Verein, möchten die Betroffenen unterstützen, die sich an Robert Köhler wenden können. Auch die unabhängigen Ansprechpersonen Fr. Leimig und Herr Puls [Adresse Ansprechpersonen Kloster Ettal] stehen zur Verfügung. Vertreter des Klosters stehen den Betroffenen selbstverständlich ebenfalls für Gespräche zur Verfügung, Nach den innerkirchlichen Vorgaben müssen die Vertreter des Klosters einen Missbrauchsvorwurf anzeigen. Die Strafverfolgungsbehörden müssen diesem Vorwurf dann nachgehen (Offizialdelikt). Eine Rücknahme der Anzeige ist nicht möglich, so dass die Vertreter des Klosters und die Betroffenen keinen Einfluss darauf haben, ob die Ermittlungen fortgesetzt oder eingestellt werden.